Sie war schon lange geplant. Schon letztes Jahr hatte ich sie auf meinem GPS abgespeichert. Es gab da allerdings diesen Knackpunkt. Die Strecke hatte ich so geplant, dass sie die 300 KM – Marke knacken mĂĽsste.
Letztes Jahr, da fuhr ich ein paarmal 200 KM am Stück. Da entstand auch die Idee mit dem 300er. Doch mit einem Mal war es Winter, dann die Zeit in Andalusien.
Der Knackpunkt wuchs sich mit der Zeit zu einer richtigen Herausforderung heran. Sozusagen eine PrĂĽfung gegen mich selbst. Wie wĂĽrde ich mich fĂĽhlen, wenn ich aufgeben mĂĽsste? WĂĽrde ich es ein zweites Mal versuchen?
Doch gestern, noch mit einem Rest des (Höhen-) Trainings aus Colorado in den Beinen, da glaubte ich, für diese Runde bereit zu sein.
Früh Morgens fuhr ich los. Der Himmel bewölkt, doch Regen war nicht zu erwarten. Mit 17 Grad auch noch eine vernünftige Temperatur. Ich hielt mich zurück, fuhr bewusst behutsam, liess mir Zeit, warm zu werden, nichts zu übertreiben. Die Strecke durch das Seetal hinauf nach Luzern, kannte ich von früheren Fahrten, da wusste ich was mich erwarten würde. Um Akku zu sparen, lasse ich die Navigation am GPS noch nicht laufen.
In Luzern dann die Baustelle am Seetalplatz. Die Radfahrer werden umgeleitet, musste einen Moment suchen, habe aber jetzt einen schönen Radweg entdeckt, den ich wohl auch bei anderer Gelegenheit noch benützen könnte. Den Weg über die Allmend hinaus nach Hergiswil war auch kein Problem.
Noch ist der Himmel bis weit hinunter verhangen. Werde ich den BrĂĽnig wohl im Nebel ĂĽberqueren mĂĽssen?
Bei Stans, um den Lopper herum, hellt sich der Himmel ein bisschen auf. Während der Fahrt entlang dem Sarnersee bis nach Giswil, sind sogar schon erste blaue Flecken am Himmel ersichtlich. Die Anfahrt auf den Brünig beginne ich noch im Schatten. Das Erkurbeln der Höhenmeter fällt mir heute leicht. Ich komme weiterhin gut voran. Entlang dem Lungernsee scheint bereits die Sonne. Auf der Passhöhe ist es dann klar: es dürfte ein schöner Tag werden.
Während der Abfahrt nach Brienz hinunter schliesse ich einem Reisecar auf. Nichts mit schnellem Downhill. Später werden die Radfahrer von der grossen Strasse umgeleitet. Ich gelange über Ballenberg hinunter an den Brienzersee. An einem schönen Plätzchen entscheide ich mich für einen ersten kurzen Halt. 115 KM sind gefahren. Zeit für eine grössere Verpflegung.
Mittlerweile ist es richtig warm geworden. Die Sonne scheint. Ich bleibe dennoch auf der rechten Seite des Brienzer- und später auch des Thunersees. Nach dem Mittagessen durchlebe ich wohl eine mittlere Krise. Die Strecke entlang der Seen ist zwar landschaftlich sehr schön, doch das ständige auf und ab gefällt mir gar nicht. Mein Wasserkonsum steigt kontinuierlich an. Glücklicherweise finde überall immer wieder Brunnen mit frischem Wasser.
Kurz vor Thun schalte ich die Navigation am GPS ein. Sie soll mich um die Stadt Bern herum, ĂĽber das Mittelland an den SĂĽdfuss des Juras leiten.
Unerwarteterweise steigt die Strasse immer wieder an. Mehrmals muss ich wegen Baustellen über Umleitungen fahren. Gümligen, endlich wieder einmal ein bekannter Ort. Ich befinde mich wohl schon noch auf der richtigen Strecke. Plötzlich die Autobahn A1 vor mir. Rechterhand die Raststätte Grauholz gut zu erkennen. Schon so weit? Schon um Bern herum?
Tatsächlich erscheinen die ersten Wegweiser mit Lyss (kurz vor Biel) und Biel/Bienne am Strassenrand. Auf einer schnurgeraden, scheinbar endlos langen Strecke, kommt mir ein heftiger Wind entgegen. Die Strasse hat zwar ein leichtes Gefälle, aber davon ist nichts zu spüren.
Ein paar Kurven und kleine Hügelzüge später ist es geschafft. Biel steht vor mir. 220 KM sind gefahren. Bleiben noch 83 bis nach Hause. Der Wind hat gekehrt. Es gibt entlang dem Jura Südfuss wieder Gegenwind. Eine weitere kurze Rastpause ist angesagt.
Der Wind scheint sich unschlĂĽssig zu sein. Meist ist es jetzt Seitenwind, manchmal sogar RĂĽckenwind. Mein Durchschnittstempo kann ich trotz allem seit dem Brienzer- und Thunersee meist knapp ĂĽber 25 km/h halten.
Es passiert mir immer wieder, wenn ich entlang der violetten Linie auf dem GPS fahre, vergesse ich zu fotographieren. Erst jetzt wieder bei diesem Strassenkreisel greife ich zum Fotoapparat. Die Pferde fallen mir deshalb auf, weil hier “nur” eine Mercedes Vertretung steht. Erwartet hätte ich ja eigentlich etwas von Ferrari.
Es muss irgendwo um Oensingen herum gewesen sein, als sich der Wind plötzlich legte. Tatsächlich erhalte ich noch ein paar kräftige Schubser von hinten, doch spätestens nach Olten ist Windstille.
Olten, noch gut 30 KM das Aaretal hinunter. Die Kraft in den Beinen, vor allem wenn es die kleinen Hügel hinaufgeht, lässt langsam nach. Meist stehe ich jetzt bei Anstiegen auf. Schon wegen des Gesässes. Auch es schätzt jetzt die stehenden Momente. Dennoch steigt die Durchschnittsgeschwindigkeit um einen letzten 10tel.
Ich komme zu Hause gerade noch rechtzeitig vor dem Eindunkeln an. Vermutlich wegen des vielen getrunkenen Wassers, vielleicht auch wegen der Anstrengung, scheint sich der Magen etwas verkrampfen zu wollen. Das kühle Bier am Gartentisch und die anschliessende Dusche, lösen aber alle Beschwerden.
Ich bin froh, so gut durchgekommen zu sein. Wettermässig war es ein idealer Tag. Körperlich hatte ich eigentlich keine besonderen Probleme, ausser vielleicht dem Gesäss während der letzten 50 Kilometer.
Damit ist nun Thema des 300er’s abgehakt, das auch am Familientisch immer wieder zu sprechen gab. Und vor allem: Ich bin froh, dass ich es versucht habe, und nun wenigstens ansatzweise weiss, wovon gesprochen wird, wenn andere ĂĽber lange Fahrten an den diversen Radmarathons von 400/600/1200 oder gar 1600 KM sprechen.
2009 HM | |||
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Grad |
23 Grad |
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