Der Tag begann heute mit einer Abfahrt. Von Cesana Torinese mal etwa 30 Kilometer hinunter nach Susa. Kleine Gegensteigungen waren zwar schon zu nehmen, aber nichts weiter tragisches. Nach Susa dann nochmals fast 30 Kilometer in Richtung Turin. Fast kein Gefälle mehr, aber ein zäher Gegenwind. Das Wetter hielt sich sonst gut. An den Bergspitzen sammelten sich Nebelschwaden und weisse Wolken. Nichts was Schatten gespendet hätte.
Entlang der Strasse sah ich ab und zu Hinweise auf die Turiner Weinstrasse. Da hätte ich ab und zu auch mal einen Rebstock erwartet. Was es zu sehen gab, waren aber lediglich Maispflanzen und Grasflächen, die mir obendrein nicht mal so einen gepflegten Eindruck machten. Auch an den Hängen begann sehr rasch der Mischwald, sofern nicht gerade ein felsiger Abriss ins Tal vorgerückt war. Habe die Hinweise auf die Weinstrasse nicht verstanden.
Sicher dirigierte mich heute das GPS in die Abzweigung nach Villar Dora. Der Beginn der Steigung auf den Colle de Lys und damit auch etwas ins Hinterland des Piemont. Zu diesem Pass fand ich bei den Vorbereitungen zu meinen Ferien kein Passprofil. Aber eine Passhöhe von 1314 Meter über Meer kann ja nicht so schlimm sein. Dachte ich.
Schon im Dorf beginnt die Steigung, und zwar gleich richtig. Das GPS kratzt mehrmals die 10%-Marke. Noch mag ich kurbeln, aber es ist eine Frage der Zeit, bis ich auf Wandern umstellen muss. Ab und zu hat die Strasse wieder ein ebenes Stück, geht sogar mehrmals etwas hinunter, weit in irgendein kleines Tal, überquert dort einen Bach und steigt weiter. Der Belag der Passstrasse ist meist recht gut. Aber wegen des Hin und her mit dem Gefälle finde ich meinen Rhythmus nicht. Die steilen Rampen sind heute einfach zu lang. Ich mag nicht so leiden.
Die Passstrasse verläuft spätestens nach Rubiana meist im Mischwald. Keine Aussicht, vielleicht mal den Hang gegenüber oder auf den Himmel, der mittlerweile immer schwärzer geworden ist. Dann, eine Spitzkehre bei Borgata Mopellato.
Es ist wie eine Aussichtsplattform. Man sieht durch das ganze Tal, bis in die Poebene, vielleicht sogar Turin. Dann ist wieder Schluss mit Aussicht, bis auf die Passhöhe.
Mit dem Wetter hatte ich Glück. Der Regenguss ging anscheinend auf der anderen Seite des Passes nieder. Zwar fahre ich grösstenteils auf nassen, aber schon wieder etwas angetrockneten Strassen hinunter. Wegen des Regens und einzelner Windböen ist es aber doch empfindlich kalt. Ich fahre deshalb mit dem Windschutzjäckchen in die Tiefe. Gute, schnelle Strasse, wieder mit ausholenden Passagen ganz weit hinten im Tälchen über einen Bach, kleiner Gegenanstieg und weiter gehts in die Tiefe. Aussicht, ausser ganz am Schluss gibt es praktisch keine. Einzelne Längsrillen auf der Strasse enden in einem Schlagloch. Spätestens ab dem zweiten Mal, weiss man das und geht ein bisschen vorsichtiger in die Abfahrt.
Befürchtete ich gestern noch, dass dies hier eine ganz abgelegene Gegend sei, so bin ich heute einigermassen überrascht, wie gross die Dörfer in der Regel sind. Zwar etwas an die Hänge geklebt oder zuhinterst in einer Schlucht, aber so einsam ist das hier gar nicht. Auf den Strassen ist zwar kaum ein Tourist zu finden. Das Leben konzentriert sich auf die Dörfer. Wohnmobile habe ich ein einziges gesehen und zwei ausländische (nicht Italiener) Motorräder. Allerdings bemerkt man auch die Entsiedelung des Gebietes. Viele Häuser sind ungepflegt, nicht mehr unterhalten. Andere Hingegen sind neu, grosses Anwesen mit Sitzplatz, Garage, Eisengitter oder in seltenen Fällen auch Naturhag. Es kommt der Verdacht auf, dass sich ein paar Herrschaften, vielleicht aus Turin, hier ein Zweitheim geleistet haben.
Das Gewitter kam dann schon noch. Während des Nachtessens im Hotel krachte es ganz fürchterlich draussen. Noch prasselt der Regen auf die Strasse.
Morgen dürfte es in ähnlichem Stile weiter gehen. Nicht mehr über so hohe Pässe, aber ständiges auf und ab über die letzten Ausläufer der piemonteser Alpen vor der Poebene, alles in Richtung Nord-Osten, der Heimat zu.
1317 HM | |||
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