Der Tag begann sehr frisch. Überall und sehr tief hingen Nebelschwaden herum. Die Strassen waren mittlerweile grösstenteils trocken. Ich zog mir mal für die ersten Kilometer den Windschutz über. Glücklicherweise hatte der Gegenwind von gestern aufgehört. Es herrschte zur Zeit absolute Windstille.
Gestern Abend fuhr ich die letzten 20 oder 30 Kilometer auf der D1006, vermutlich die ehemalige Autostrasse Grenoble-Turin. Jedenfalls lassen Rastplätze, ausgestorbene Tankstellen, die gerade LinienfĂĽhrung und nicht zuletzt auch der viele Verkehr, solche Gedanken aufkommen. Mit dem Abzweigen nach La Chambre, viel mir der Wegweiser fĂĽr “Mauriennaise pour cyclists” auf.
Heute Morgen dann wiedersetzte ich mich meinem GPS und folgte eben dieser “Mauriennaise”. Tatsächlich ein Radweg, manchmal auf der Hauptstrasse, sehr oft aber als schmaler Verbindungsweg zwischen irgendwelchen Dörfern. Ich habe mir damit sicherlich ein paar Höhenmeter eingehandelt, kam aber in den Genuss von fast verkehrslosen Strassen, manchen abgeschnittenen Dörfern (da lag noch Kuhmist auf der Strasse), kĂĽhlen und noch feuchten Wäldern, und manchmal auch sehr schönen Ăśbersichten ĂĽber das ganze Tal. Anfänglich entlang der Arc, später dann entlang der Isère. Manchmal fĂĽhrte die Strasse auch durch Quartiere von grösseren Ortschaften.
Nach knapp 50 Kilometern kam ich dann in Albertville an. Der Nebel hatte sich längst verzogen, meinen Windschutz trug ich mittlerweile im Trikot, die Sonne stand schon weit oben am Himmel. Zeit für die Sonnencrème. In einer der Parkanlagen eingangs Albertville suchte ich mir ein schattiges Plätzchen, verpflegte mich, bemühte die Sonnencrème und brachte wieder Ordnung in meinen Anhänger. Der zweite Teil, der hügeligere konnte beginnen.
Auch in Albertville hatte ich nochmals Glück. Ich fand einen Wegweiser um nach Ugine zu gelangen, der Ort mit der Abzweigung nach Megève hinauf. Auch hier nochmals eher verkehrsarme Strassen. Doch ab Ugine war dann nichts mehr zu machen. Eine ziemlich dicht befahrene und schmale Strasse führt nach Megève hinauf. Trotz der Mittagszeit verläuft sie sehr oft im Schatten von Felswänden oder des ziemlich dichten Waldes. Wenigstens bis ans Ende der Schlucht, wo sich das Tal dann plötzlich öffnet. Einen Moment lang glaubt man mitten in der Schweiz zu sein. Chalets und die typische Voralpen-Vegetation herrschen hier vor.
Nach einer kleinen Delle kommt man dann nach Megève hinauf. Auch das ein Skiort, wenn auch weniger typisch aus dem Boden gestampft wie andere die ich auf meiner Reise schon gesehen habe. Ich halte mich hier nicht lange auf und fahre bald wieder ins Tal nach Le Fayet, hinunter. Hier müsste eigentlich der Aufstieg nach Chamonix beginnen.
Eine Autobahn und eine Autostrasse drängeln sich das Tal hinauf. Ich schaue mir die Sache einen Moment lang an. Die Autostrasse ist ĂĽberfallt mit schweren Lastwagen. Ich habe keine Lust, mich dazwischen zu stellen. Mein GPS zeigt unverständlicherweise als Restdistanz bis Chamonix noch 146 Km an, dabei mĂĽsste es sich eigentlich um vielleicht knapp 30 Kilometer handeln. Beim ratlosen herumkurven stosse ich plötzlich auf einen Wegweiser “Chamonix” mit einem Velobilchen dazu. Da sich mein GPS dauernd gegen diesen Weg sperrt, frage ich sicherheitshalber einen einheimischen Radfahrer.
Wieder einmal gibt das Plakat am Anhänger den Stoff für Veloerlebnisse seinerseits und meinerseits ab. Er erklärt mir den Weg nach Chamonix, und dass ich auf gar keinen Fall die Autobahn oder dier Autostrasse nehmen soll. (ist ja klar!).
So kurble ich mal davon. VernĂĽnftige Steigung, alles an der Sonne, brĂĽtende Hitze. Der Wasservorrat schmilzt wie Schnee an der Sonne. Zwischendurch mal einen wunderbaren Blick auf das Montblanc-Massiv. Etwa auf halber Höhe, nur Wegweiser auf die Autobahn, oder wieder zurĂĽck nach Le Fayet. Das GPS zeigt jetzt 160 Kilometer nach Chamonix an. Nach ratlosem rumstehen, entschliesse ich mich dann doch, halt die letzten 100 Höhenmeter wieder zu vernichten, unter der Autobahn durchzufahren und im gegenĂĽberliegenden Wald zu verschwinden. Und siehe da: Das Schild “Chamonix” fĂĽr Velofahrer steht wieder da. Ich komme in den Genuss, vermutlich auf der ersten je gebauten Hauptstrasse, in einem schattigen und noch feuchten Wald, ĂĽber Les Houches und noch ein paar weitere Dörfer nach Chamonix zu gelangen. Warum die erste Hauptstrasse? Die muss noch aus den Zeiten stammen, als man keine Tunnels baute, die Strassen um FelsvorsprĂĽnge herum und zwischen den Bäumen durch baute. Kurven und Spitzkehren ohne Ende. Links und Rechts ist die Strasse gesäumt von vielen Chalets aller Grössen, irgendwie idyllisch. Ich beginne mich zu fragen, ob da vielleicht absichtlich Strassen fĂĽr die GPS – Unterlagen so codiert sind, dass man sie nicht findet? Ob man da auch mit schlechter Beschilderung selbst die Velofahrer abhalten will? Denn ausser ein paar Velofahrer verkehrt da tatsächlich niemand auf der Strasse, wenigstens keine Ausländer, Wohnmobile und Motorradfahrer.
Wie auch immer. Am späteren Nachmittag treffe ich dann endlich in Chamonix ein. Für den Sprung über die Schweizer-Grenze dürfte es kaum mehr reichen. Die vielen Touristen hier schrecken mich etwas auf. So frage ich dann im erst besten(?) Hotel nach einem Zimmer. Ich habe nun ein Zimmer erwischt, das so etwas wie Bergsteiger-Idylle ausstrahlt. Gibt es in Chamonix überhaupt Zimmer, die diese Aura nicht haben?
1778 HM | |||
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