Heute Abend hatte ich wieder einmal Gelegenheit einer Lesung zu lauschen. Im Programm hiess es: Alex Capus liest aus seinem neuesten Buch Eine Frage der Zeit. Das tat er denn auch, aber nur nebenbei und nur ganz kurz.
Was mich am heutigen Abend faszinierte, war das ganze Drumherum. Wie er Einblick in seine Arbeit als Schriftsteller, diesmal in der Rolle als Romanautor einer historischen Begebenheit, gab.
Es ist nämlich nicht so, dass da irgend ein paar Helden zuerst tief unten durch müssen und dann bei der nächsten Gelegenheit über sich und die Umwelt hinauswachsen, sondern da ist jahrelange Recherche, mühsames Suchen und Zusammensetzen von vielen kleinen Puzzlesteinen angesagt. Reisen an das nördliche Ende unseres Festlandes, wo die drei Hauptdarsteller des Romans herkommen. Aber auch Reisen in die Gluthitze von Afrika an den Tanganjika-See, wo sich der eigentliche Roman abspielt. Sich hineinfühlen in Menschen, Situationen und Zeiten die vielleicht schon 100 Jahre zurückliegen. Nachempfinden können, wie kurz nach 1900, eben in der Deutsch Ostafrikanischen Republik, kurz vor dem ersten Weltkrieg, Kulturen aufeinander treffen,
Dann aber das so erlebte und vielleicht auch gefühlte auch noch in Worten zu Papier bringen können. Die beschriebene kugelige Frau, die zum Dienstmädchen wird, oder der beschriebene Oberleutnant, der zwar dauernd an den Gerichten vorbeischrammt, nie bestraft wird, aber auch nie befördert wird, taucht vor dem eigenen geistigen Auge auf und man setzt ihn unwillkürlich in eine virtuelle Gegend, an einem grossen See, mit Doppelreihen von Palmen, Kolonialhäuschen, alten Dampflokomotiven und viel, viel Sand, Termiten und Moskitos.
Wenn er, Alex Capus, zum Schluss dann noch beschreibt, mit welchen Gedanken im Kopf und GefĂĽhlen in den Fingerspitzen, er eines Tages in einem Museum im tiefsten Afrika, einen Brief der einen der drei Hauptfiguren in der Hand halten kann, dann ist man geneigt, jedes einzelne Wort dieses Romanes zu glauben, es muss sich einfach so zugetragen haben, wie er es in seinem Roman beschrieben hat.
Das ist gefĂĽhlter, ja erlebter Geschichtsunterricht.