Manchmal gibt es Themen, die lassen mir keine Ruhe mehr. Entweder strahlen sie eine grosse Faszination aus, oder die Informationsfülle ist zu gross, zu ungeordnet, zu vielfältig, passt irgendwie nicht zusammen. Ich glaube, dieses Mal ergeht es mir so mit einer Blume, der Kamelie. Wohl waren wir im Kamelienpark in Locarno, wohl haben wir dort quadratmeterweise Plakate über die Blume gelesen, wohl haben wir dort viele 100 Blumensorten angeschaut. Aber irgendwie fehlte der rote Faden. Die Informationsfülle war für die paar Stunden am Nachmittag zu gross. Vor allem leuchtete mir nicht so richtig ein, warum ausgerechnet diese Blume so eine Berühmtheit sein sollte.
Ich habe dies nun dank Google, Wikipedia und den in Locarno gelesenen Texten versucht zu ordnen.
Die Blume stammt ursprĂĽnglich aus Japan und China. Sie galt dort als leicht kultivierbar, war der Stolz und der Blickfang in jedem Garten, den sie mit ihren prächtigen Farben von Oktober bis Mai zierte. Bei den Japanern war die Blume das Symbol der Unsterblichkeit und bei den Chinesen das Sinnbild fĂĽr GrosszĂĽgigkeit. Mit dieser Zierblume “Camelia japonica” eng verwandt ist der Teestrauch “Camelia sinensis” oder auch “Camelia chinensis” genannt.
Wie so oft verdanken wir die Einführung von exotischen Pflanzen der Schifffahrt, allen voran den Engländern. Die Engländer als eingefleischte Teetrinker wollten den Teestrauch Camelia sinensis nach Europa mitnehmen. Aus welchen Gründen auch immer, vielleicht auch aus List, haben die Chinesen den Engländern die Schiffe aber mit der Camelia japonica beladen, welche zwar hübsch aussieht, aber sich sicher nicht für Tee eignet. So gelangte um die Mitte des 17. Jahrhunderts die Pflanze nach Europa. Es war die Kaiserin Joséphine, die von der Schönheit der Blume so entzückt war, dass Sie sie kurzerhand zur Modeblume auserkor. Ob auf dem kleinen Schwarzen oder auf dem Hut, die Schlichtheit der Blume passte zu allem. Aber Mode ist vergänglich und so fand man die Blume bald wieder nur noch in den Ziergärten.
Eine andere Möglichkeit, wie die Pflanze nach Europa kam war die Bestellung der Zarin von Russland. Vier Kamelien sollten aus Japan (?) nach Dresden, Schönbrunn/Wien, Herrenhausen und Kew Garden (London) gebracht werden Aufzeichnungen dieses Auftrages gibt es nicht. Allerdings führte der Dresdner Hofgärtner ab 1799 in seinem Inventarbestand die Camellia japonica auf.
Der Name der Blume geht auf Pater Georg Joseph Camel zurĂĽck, der sie 1700 bei einer Chinareise entdeckte. Als Hommage an den Pater wurde die Blume auf den Namen Camelia getauft. Auf Chinesisch wurde sie mit den Namen Sa, Sjun, San, Sa Dsisi und Sasanqua versehen. Doch scheinen hier die Quellen nicht alle einer Meinung zu sein.
Um diese immergrĂĽne Pflanze gibt es viele Geschichten und Sagen. Viele behaupteten lange Zeit, ihre BlĂĽte sei geruchslos. Tatsache ist, dass sie nur einen sehr feinen, kaum wahrnehmbaren pflaumenartigen, sĂĽsslichen Duft von sich gibt. BerĂĽhmt in diesem Zusammenhang ist wahrscheinlich das Buch “die Kameliendame” von Alexandre Dumas. Darin beschimpfte die Heldin Marguerite einen unwissenden Freier, weil dieser sie dadurch verärgert, dass er ihr einen stark riechenden Blumenstrauss ĂĽberreichte. Da sie allergisch auf den starken Blumenduft reagiert, hält sie immer einen Strauss von ganz leicht duftenden Kamelien in der Hand, um den Hustenreiz zu verhindern.
Auch ĂĽber die Winterhärte der Pflanze wird viel diskutiert, ausprobiert und behauptet. Tatsache ist, dass sie warme Sommer liebt, ebenso wie kalte Winter, aber nicht unter dem Gefrierpunkt. In frĂĽheren Zeiten, eben zu den grossen Zeiten der Schifffahrt, konnte sie auch als Zimmerpflanze gehalten werden. KunststĂĽck, wenn damals die Gemächer im Winter auf kaum ĂĽber 12 Grad aufgeheizt werden konnten, war das fĂĽr die Pflanze die beste Umgebung. Doch heute, mit den fast durchwegs zu warmen Räumen, ist das keine gute Umgebung mehr fĂĽr die Pflanze. Wohl wird mit ZĂĽchtungen und Kreuzungen anderer Arten versucht, mehr Winterhärte, oder mehr “Wohnraumgewöhnung” zu erreichen, doch so richtig erfolgreich ist man dabei noch nicht geworden.
In der Zwischenzeit, also seit der EinfĂĽhrung der Pflanze in Europa, wurden etwa 40’000 Arten und Unterarten der Pflanze gezĂĽchtet. Viele sind geruchlos, einige duften leicht sĂĽsslich. Die Farbenpracht deckt ein riesiges Spektrum ab. Fast alle Färbungen von Weiss bis Rot, manchmal auch zweifarbig sind vertreten. Auch die Grösse der BlĂĽte schwankt sehr stark, Die grössten sollen einen Durchmesser bis gegen 14 Zentimeter haben. Die Pflanze wächst sehr langsam. Von der ersten Pflanzung bis zur ersten BlĂĽte kann es sehr lange, manchmal bis 10 Jahre, dauern. Die höchsten Sträucher sollen bis ĂĽber 10 Meter hoch geworden sein. Ein so langsam wachsendes GebĂĽsch kann aber auch sehr alt werden. Die anfangs erwähnte Kamelie in Dresden dĂĽrfte heute ĂĽber 200 Jahre alt sein. Sie wird allgemein als das Ă„lteste GebĂĽsch dieser Art nördlich der Alpen betrachtet. Andernorts soll es allerdings auch Kamelien mit ĂĽber 500 jähriger Vergangenheit geben.
Beim Studium all der Informationen komme ich langsam zum Schluss, dass es wohl kaum viele Pflanzen gibt, um die sich so mancher Schriftsteller und so manches Königshaus bemüht hat. Ob dies, auch die Faszination der Blume erhöht?
Übrigens gibt es nebst dem neuen und erweiterten Kamelienpark in Locorno noch einen weiteren Botanischen Gärten zum Thema der Kamelien und Magnolien. Er befindet sich auf der Gambarogno-Seite des Lago Maggiore, auf der Hügelterrasse zwischen Piazzogna und Vairano, der Parco botanico del Gambarogno.
Zum Abschluss noch ein paar EindrĂĽcke aus meinem Besuch im Kamelienpark in Locarno:
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