Die Fahrt beginnt in Thusis und fĂĽhrt erst einmal durch die Viamala – Schlucht. Felsig, eng und kĂĽhl ist es heute darin. Zudem bläst ein kĂĽhler Wind. Wegen der Enge verliert das GPS auch mehrmals den Kontakt zu den Satelliten. Bei der Aussichtsterrasse am unteren Ende der Schlucht hat es heute aussergewöhnlich viele Touristen, die einen Blick in die tiefe, vom Rhein in den Fels gefressene Rinne, werfen möchten.
Bald ist die Schlucht passiert und es folgt eine relativ grosse ebene Fläche. Erwähnenswert hier ist sicherlich das Kirchlein von Zillis mit seinen berühmten Malereien an der Decke.
Nach Andeer kommt schon bald der Einstieg in die Rofla-Schlucht. Zu unterst ein Stausee. Die Strasse folgt ihm, leicht ansteigend bevor es dann in die richtigen Kehrschleifen, vorbei am Restaurant Roflaschlucht geht. Auch hier ist die Schlucht wieder sehr eng. Ab und zu hat man von der Strasse einen freien Blick auf den noch kleinen Rhein (Hinterrhein) der doch schon beachtlich tosend durch das felsige Bachbett in die Tiefe strömt.
Nochmals folgt ein etwas flacheres Stück, bevor dann nach den letzten Kurbelumdrehungen durch steile Spitzkehren der Blick auf einen weiteren Stausee bei Sufers freigegeben ist. Erstmals sieht man hier etwas weiter als nur gerade an die nächste Felswand. Der Blick ist frei bis weit in den Hinterrhein hinauf. Eine flachere Strecke, grösstenteils direkt dem See entlang, bevor dann die weitere Kehren bis nach Splügen überwindet werden müssen. Über holpriges Kopfsteinpflaster führt der Weg durch Splügen. Ein Dorf, das sich grösstenteils an der Nordseite des Rheins befindet und seinen ursprünglichen Charakter behalten konnte. Links vom Rhein, beziehungsweise südlich des Rheins wurde der neue Dorfteil mit seinen Ferienwohnungen und Ferienhäuser gebaut. Vom Dorfplatz geht es leicht hinunter und dann ersteinmal ziemlich steil in die ersten Kehren der Passstrasse zum Splügen hinauf.
Ist man in Thusis gestartet und bis hier hinauf “durchgefahren”, werden die Serpentinen immer nahrhafter. Allerdings bekommt man durch die erarbeitete Höhe einen immer bessern Ăśberblick ĂĽber Dorf und Tal. Schon bald öffnet sich das Tal und die Strasse fĂĽhrt dann ohne Spitzkehren bis in den hinteren Talboden. Dort ist dann fĂĽr vielleicht 400 Höhenmeter nochmals so richtig Spitzkehren – Fahren angesagt. In der Nähe des Restaurants befindet sich der Schweizer Zoll während der Italienische Zoll wohl noch etwa ein Kilometer weiter oben zu finden ist. Auf der Passhöhe selber habe ich die charakteristische Passtafel vermisst. Ein Gedenkstein ĂĽber dem Pass, eine kleine Statue direkt neben der Passstrasse und ein Randstein mit der Höhenangabe 2113 Meter mĂĽssen hier wohl genĂĽgen. Heute ist der SplĂĽgenpass einmal mehr genau an der Wetterscheide. Während auf der Schweizerseite nicht klar ist, wie lange es wohl noch trocken bleiben wird, klart das Wetter in Richtung Chiavenna (Italien) auf. Ein eisiger Wind auf der Passhöhe, verhindert heute einen längeren Aufenthalt.
Die Abfahrt nach Chiavenna kann beginnen. Die ersten paar Höhenmeter bis zum Stausee hinunter sind bald vernichtet. Dem Stausee entlang werde ich von einem kühlen Rückenwind gestossen und schon neigt sich die Strasse wieder in die Tiefe. Teils ziemlich holprig, teils auf ganz neuem Belag fahre ich der Wärme entgegen. Ein paar unbeleuchtete Tunnels müssen durchfahren werden, eine kleine Gegensteigung bei Isola und immer wieder teils sehr steil abfallende Streckenabschnitte. Meist nur kurze Distanzen aber sicherlich weit über der 10%-Marke. Die Vegetation wird grüner, Dörfchen, eher kleine Gruppen von Rusticos huschen vorbei. Leute halten sich eigentlich keine auf, dafür werde ich laufend von Motorradfahrern überholt. Autos befinden sich auf dieser Strecke ebenfalls fast keine. Und schon bald steht die Ortstafel von Chiavenna am Strassenrand. Mittagessen direkt neben dem Kreisel am Verkehrsknotenpunkt von Chiavenna. Es wird auch Zeit, mich der Ärmlinge und Beinlinge zu entledigen, denn das Thermometer zeigt hier unten auf knapp 400 Metern bereits wieder 25 Grad an.
Am Nachmittag fahre ich dann zuerst in Richtung Comersee. Die Strasse ist stark befahren, ist ja anscheinend auch eine Hauptverbindung nach Mailand. Entlang des Comersees darf der Velofahrer die Tunnels nicht passieren. Das ist auch gut so, denn der Weg aussen herum, zwischen der Felswand und dem obersten Ende des Comersee ist sehr schön angelegt, schon fast idyllisch. Ich geniesse hier nicht nur die Ruhe vor dem Verkehr, sondern auch die Aussicht ĂĽber den See an die weiteren italienischen Alpen. Schon bald ist die Abzweigung, weg von dieser Strasse ins Veltlin erreicht. Lange bin ich mir nicht sicher, ob das “Valtellina”, wie es hier bezeichnet ist, auch tatsächlich das Veltlin ist, aber so Bezeichnungen wie zum Beispiel “Sasella” oder auch die vielen Rebstöcke in der Ebene und dem unteren Ende an den HĂĽgeln, lassen die Zweifel langsam schwinden. Die Strasse fĂĽhrt anfänglich durch einzelne hĂĽbsche Dörfchen, dann nach Valeriana ĂĽber die Talebene der Adda und dann immer weiter nach Osten ĂĽber Sondrio und weiter nach Tirano.
Vermutlich wäre es besser gewesen, ich hätte die Talseite nicht so schnell gewechselt, denn hier ist der Verkehr zu Hause. Meist zwar schöne, breite Strassen, zum Preis der Langeweile. Meist führt der Weg um die Dörfer herum, ist oftmals während langen Kilometern schnurgerade, kaum ein Baum, geschweige denn eine Wasserstelle. Höchstens Tankstellen mit Shops. Das Thermometer ist in der Zwischenzeit auf weit über 30 Grad angestiegen.
Schon während eines längeren Teiles der Fahrt mache ich mir Gedanken zum morgigen Tag. Einerseits reizen mich die Höhenmeter vom Apricapass und Mortirolo, andererseits möchte ich morgen ohne Hetzerei über die Bernina kommen und wenn möglich auch noch den Julier anschliessen. Kurz vor Tresenda, dort wo die Abzweigung für die Auffahrt auf den Apricapass erwartet werden muss, ziehe ich mich deshalb an einen ruhigen, vielleicht auch kühlen, Waldrand zum Kartenstudium und zur längst fälligen Verpflegungspause zurück.
Nach längeren Überlegungen, Kartenstudium, Routenplanungen komme ich dann zum Schluss, in Tirano, am Fusse der Bernina zu übernachten und in der morglichen Kühle und mit noch frischen Beinen den Berninapass in Angriff zu nehmen.
Nach nur noch wenigen Kilometern treffe ich deshalb in Tirano ein, und finde im Hotel Bernina, ganz in der Nähe des Bahnhofes auch ein Zimmer. Ein vorzügliches Nachtessen mit Produkten aus der Umgebung, unter anderem auch dem Veltliner und dem Grappa, beschliesse ich diesen ersten Tag meiner Veltlinertour.
1968 HM | |||
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