Als Aargauer unterwegs

Spass auf schmalen Reifen

Die Nacht am Nordkapp

Unser Hotel am NordkappNach dem Nachtessen in unserem Hotel in Honningsvag setzen wir uns für die letzten 30 KM zum Nordkapp wieder in unseren Reisecar. Die Aussentemperatur wird gerade mal mit 6 Grad angezeigt. Es windet stark aus wechselnden Richtungen. Die Fahnen flattern heftig im Wind und die Fahnenstangen vor dem Hotel krümmen sich. Ich denke an die Radfahrer die wir seit dem Polarkreis häufiger auf der Strasse antreffen. Was muss das für ein Gefühl sein: nach vielleicht 2000 und mehr Kilometer, nach tausenden von Höhenmetern über hügeliges Gelände, jetzt in diesem Gegenwind und dieser Kälte mit dem Ziel vor Augen, nochmals kräftig in die Pedale treten zu müssen. Denen wird tatsächlich nichts geschenkt. Wenigstens sind die Strassen in einem guten Zustand.

Blick über eine der Buchten am NordkappRentiere auf der Nordkapp-InselVon unserem Hotel windet sich die Strasse, ähnlich einer Passstrasse auf eine Hochebene hinauf. Wie schon so manchmal in den letzten Tagen dürfte es sich auch hier um 10% und mehr Gefälle handeln. Nach der Hochebene geht es wieder fast bis ans Meer hinunter, bevor nochmals eine Steigung, eine lange Rampe zum Nordkapp hinauf zu bewältigen ist. Unterwegs treffen wir auch hier ein paar Rentiere an. An einer Bucht machen wir einen kurzen Fotohalt. Weit draussen über dem Meer, da scheint die Sonne, ansonsten ist der Himmel bewölkt, stellenweise dürfte es auch regnen.

Nordkapp-Insel, da wächst nichts mehrWir fahren weiter, über karge Hochebenen. Da wächst ausser ein paar Gräsern und Flechten nun wirklich nichts mehr. Ausser den paar Rentieren und uns Menschen, scheinen sich keine Lebewesen mehr hierher zu verirren. Nicht einmal mehr Vögel, Möven oder Bergdohlen, nichts.

Irgendwie macht sich in mir eine schon fast andächtige Stimmung breit. Ein Gemisch aus Freude, Ehrfurcht, Erwartung auf etwas Besonderes. Ein Gemisch mit Ungewissheit, das man machmal vor grossen Momenten verspĂĽhrt. Aus Berichten von Radfahrern die frĂĽher schon mal das Nordkapp erreicht hatten, erwarte ich auf jeden Fall mal die grosse, stählerne Weltkugel, ein bisschen touristischer Rummel dĂĽrfte auch dabei sein. Unsere Reiseleitung reisst mich jäh auf den Boden der Wirklichkeit zurĂĽck. Sie verteilt einen Prospekt ĂĽber die Anlagen am Nordkapp. Stählerne Weltkugel: ja, Touristischer Rummel: dĂĽrfte kaum zu ĂĽbertreffen sein. Aus dem kleinen Kiosk mit dem Briefkasten und dem Nordkapp-Poststempel ist eine währschafte Hotelanlage mit riesigem Souvenirladen geworden. Durch den Nordkapp-Felsen wurden Gänge gesprengt zu einem unterirdischen Kino, zu einer “Kings View”-Plattform mit angegliederter Bar, eine kleine Kapelle befindet sich ebenfalls im Untergrund, sowie diverse Räumlichkeiten mit Darstellungen von Königen und Seefahrern, die diese Gegend auch schon mal besucht haben.

Sonnenflecken im MeerNach dem Bezahlen der Eintrittsgebühr fährt unser Car auf einen riesigen Parkplatz ein. Wir sind an vierter Stelle auf dem Platz. Die Aussentemperatur ist mittlerweile auf 2 Grad gesunken. Es windet weiterhin stark. Der Himmel bleibt bewölkt, kein Mensch weiss, ob das mit der Mitternachtssonne heute Nacht etwas wird. Die Hoffnungen sind gross.

am NordkappAls erstes fotographieren wir mal die stählerne Weltkugel. Die Reiseleitung bietet sich an, für uns ein Gruppenfoto zu machen. Die Sonnenflecken auf dem Meer sind wieder verschwunden. Wir schauen uns sonst noch etwas auf dem Nordkapp um. Zum Beispiel die Tafeln der sieben Kinder aus aller Welt, die sich zum Thema Frieden ihre eigenen Gedanken gemacht haben, oder den steinern Wegweiser.

Der starke und kalte Wind kühlt uns aus. Wir sehen uns im Souvenirladen um, geniessen im Kino unter dem Boden einen Kurzfilm über das Nordkapp, also vor allem schöne Bilder, wie es sein könnte, wenn die Sonne scheint, oder wenn im Winter die Polarlichter am Himmel erscheinen. Besuch der Kapelle, Besuch der Kings-View. Doch da versperrt eine Bretterwand die Sicht, denn vor den Fenstern der Kings-View liegt noch ein Schneehaufen, der sowieso die ganze Sicht verdecken würde. Wir gehen nach draussen, in die Kälte. Es nieselt leicht, mein Androide meint: gefühlte Temperatur -6.

Weiteres Warten hinter der riesigen Fensterfront vor dem Souvenirladen. Weit draussen im Meer, scheint sich die Wolkendecke wieder zu lichten. Es muss nach 11 Uhr Nachts gewesen sein. Der Horizont verfärbt sich langsam wie zu einem Abendrot. Die Verfärbung kommt näher. Wir gehen wieder raus. Suchen einen günstigen Standpunkt für Fotos und einem Wind, der zum Aushalten ist. Das Abendrot kommt näher, der Nieselregen hat aufgehört. Kurz vor 12 Uhr Mitternacht höre ich auf zu fotographieren. Die Sonne scheint! Sie steht gut eine Handbreit über der stählernen Weltkugel.


Abendglühen am Horizont Das Sonnenlicht kommt näher Es wird immer heller Die Sonne scheint um Mitternacht
Auch auf dem Felsen neben an. 12:00 Uhr MitternachtAls wir zum Bus zurĂĽckkehren, stehen da vielleicht noch weitere 50 Busse. Auf der RĂĽckfahrt wird der Fels nebenan nochmals voll von der Sonne beschienen. Derweil ich etwas in Gedanken versunken ĂĽber die Konstellation von Sonne und Erde sinniere, und mir eigentlich jetzt richtig bewusst wird, zum ersten Mal ĂĽber die ganze Erde hinweg geschaut zu haben.

Schneeregen prasselt an die Scheiben des Busses, Schneeregen prasselt auch an die Scheiben von unserem Hotelzimmer. Die Reiseleitung meint, von den 12 Besuchen am Nordkapp, sei dies der Drittschönste gewesen. Was für ein Tag! Was für ein Glück!

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Autor: Urs

Würde mich eher als Tourenfahrer bezeichnen. Radfahren war schon in der Jugendzeit meine Leidenschaft. Doch auch dann schon eher für lange Ausflüge. Mit der Zeit gesellten sich die Fotographie dazu und teilweise beruflich bedingt auch das Interesse an IT, an Software. Damit war der Grundstein für dieses Weblog gelegt. Seit dem Jahre 2004 schreibe ich hier ziemlich regelmässig über meine Fahrten.

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