Alle haben es gewusst, nur ich zögerte noch, als ich am frühen Morgen die dicken Nebelschwaden vor dem Schlafzimmerfenster sah. Gemütliches Morgenessen, ab und zu ein Blick nach draussen. Langsam hob sich der Nebel.
Nach neun Uhr, die letzten Nebelschwaden zogen sich ins Tal hinunter, oder lösten sich in den Wäldern irgendwie auf. Es war noch kühl, als ich startete. Ich nahm es gemütlich, denn heute warteten ja wieder viele Höhenmeter auf mich.
Ein zügiger Rückenwind stiess mich nach Sölden hinauf. Aber nicht nur deswegen fühlten sich meine Beine heute gut. Vielleicht war es auch eine Art freudige Anspannung, was mich dort oben auf knapp 3000 Meter über Meer erwarten würde.
Eigentlich geht die Steigung schon am Dorfausgang von Sölden los. 14 Kilometer, 1400 Höhenmeter, ein paar Flachetappen bei der Mautstelle und sonst noch zweimal zwischendurch. Das waren 10% garantiert, meist ja mehr, wenns hinauf ging. Sogar die Motorräder waren heute deutlich langsamer unterwegs als auch schon.
Etwa bis zur Mautstelle, könnte man im Schatten des Waldes fahren, sofern man nicht über die Mittagszeit hinauffährt. Doch dann, ist für alle Schluss mit Schatten. Die Oeztaler Gletscherstrasse führt am Sonnenhang hinauf.
Die Kehren sind auch hier durchnummeriert, zusätzlich mit der Angabe der Meter über Meer. Allerdings ist die 1. Kehre zu unterst. Aber man kennt ja sein Ziel: 2830 Meter über Meer muss heute einmal auf dem GPS stehen.
Der unterste Abschnitt, bis zur Mautstelle, schien mir der härteste zu sein. Nach der Mautstelle ist es vielleicht etwas flacher, doch dafür wird dann die Luft immer dünner, so bleibt die Härte auf den ganzen 14 Kilometern erhalten.
Das schöne an der Strecke ist, dass man ab der Mautstelle fast immer den einen der beiden Gletscher, den Rettenbachferner vor Augen hat. Kehrt die Strasse zwischendurch mal, so gibt es auch talauswärts ganz schöne Ausblicke.
Eine Besonderheit waren heute vielleicht die Ziegen und zwei Spitzkehren weiter oben die Schafe, die sich wiederkäuend im Schatten der Leitplanke auf der Strasse ausruhten. Wohl die einzige ebene Stelle in dem recht steilen Tal. Die Tiere liessen sich denn auch nicht aus der Ruhe bringen. Weder von den vorbeischiessenden talwärtsfahrenden Rennradfahrern, noch vom Linienbus der gefĂĽhlte alle paar Minuten vorbei kam, noch vom ĂĽbrigen Verkehr. Auf mein Zischen hin gabs aber wenigstens ein desinteressiertes “Määäh” von einer der Ziegen.
Nach vielen Schweisstropfen und zähen Kurbelumdrehungen kam ich an die Abzweigung. Rechts zum Rettenbachferner, den ich nun schon eine ganze Weile angeschaut habe, links eine kurze Abfahrt, dann das Tunnel hinauf zum Tiefenbachferner. Ich entschied mich für das Tunnel, dort kommt man ein paar Meter höher an, als beim Parkplatz des Rettenbachferners. (Rekordjäger, ja ich gebs zu).
Es ist ein ganz besonderes GefĂĽhl, durch ein knapp 2 Kilometer langes Tunnel zu fahren, dessen Ausgang man bereits bei der Einfahrt, als kleines helles Loch sehen kann. Die Steigung darin war machbar, es war kĂĽhl, ab und zu erwischte ich einen Tropfen Wasser, höchstens zwei Autos kamen entgegen, von hinten kam nichts. Sonst ist man alleine. Spätestens ab dem Zeitpunkt, wenn das GPS mit einem Pieps gemeldet hat: “kein Satellitenempfang”. Die eigenen Geräusche von Kette und ĂĽberrollten Steinchen, die eigene Atmung, sonst nichts, nur Ruhe.
Der Tunnelausgang befindet sich auf offiziell 2829 Meter über Meer, immerhin. Anschliessend geht es hinunter zum Parkplatz für den Kommerz. Sessellifte, Skilifte, Restaurants, eine Ausstellung zum Leben auf dem Gletscher (Beschneiungsanlage, Pistenfahrzeug, vielleicht gehört auch das künstliche Wasserbecken dazu.), eine Tafel für einen Panoramaweg.
Ich genoss den Moment hier oben auf 2800 Metern, in kurz/kurz, kein Wind, nur Sonne pur, kaum eine Wolke. Drehte ein Runde um den riesigen Parkplatz, schaute mir den Tiefenbachferner an und die Berge auf der gegenĂĽberliegenden Talseite. Ein paar Fotos zur Erinnerung.
Für die Abfahrt zog ich mir dann aber doch das gelbe Jäckchen an, wartete den Moment eines vorbeifahrenden Autos ab und fuhr hinter diesem durch das Tunnel hinunter. Schien mir irgendwie ungefährlicher zu sein, trotz eigener Beleuchtung, alleine runter zu fahren.
Die Gletscherstrasse fuhr ich noch relativ zügig hinunter, doch in Sölden angekommen, bummelte ich durch das Öztal wieder zum Hotel zurück.
Ein schöner Tag. Höher hinauf als 2830 Meter über Meer wird es mit dem Rennrad in Europa nicht mehr gehen (wenigstens vorläufig). Dazu noch bei einem Wetter, wie es schöner wirklich nicht hätte sein können.
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