Während bei uns die Blogging-Szene immer noch ein Randphänomen ist, wird im Land der unbegrenzten Möglichkeiten (wo denn sonst), bereits fleissig an der Geldquelle gebohrt. Allerdings mit sehr unterschiedlichem und nur vereinzeltem Erfolg. Ob es für den grossen Reichtum reicht?
Von vielen einst als Betätigungsfeld für Narzissten belächelt, werden Weblogs inzwischen als zusätzliche Stimme im Kanon der Medien ernst genommen. In den USA kann man mit solchen Online-Journalen nun sogar Geld verdienen.
Seitdem kürzlich mehr als 30 Weblog-Autoren zum Parteitag der amerikanischen Demokraten akkreditiert worden sind, dürften sich die meist aus engagierten Kommentaren, persönlichen Eindrücken und Verweisen auf Fundstücke im Netz bestehenden Online-Journale endgültig von ihrem Schattendasein befreit haben. Vor allem in den USA scheint eine wachsende Leserschaft den meinungsbetonten und mitunter äusserst subjektiven politischen Weblogs gegenüber den auf Ausgewogenheit und politische Korrektheit bedachten Leitmedien den Vorzug zu geben. Aber auch die meist von Experten unterhaltenen Fach- und Branchen-Blogs stossen auf zunehmendes Interesse. Auf monatlich weit über drei Millionen Besucher bringen es heute die bekanntesten US- Weblogs, und immer öfter verweisen auch etablierte Medien auf Beiträge von Bloggern.
FĂĽr Gottes Lohn
Das Leben eines Weblog-Schreibers kann indes hart sein. Manch ein Autor fĂĽhlt sich durch die Erwartung seiner Leser auf regelmässige und lĂĽckenlose Berichterstattung unter Druck gesetzt. Von Blogger-Burnout war jĂĽngst bei “Wired News” gar die Rede. Kein Wunder, zerbrechen sich immer mehr Weblog-Verfasser den Kopf darĂĽber, wie sie fĂĽr ihre meist nebenberufliche Tätigkeit entschädigt werden könnten. Recht verbreitet sind in diesem Zusammenhang die Buttons der Ebay-Tochter PayPal, ĂĽber die die Leser zu einer Spende an den Weblog-Betreiber aufgerufen werden. Zu einer gewissen Bekanntheit gebracht hat es im vergangenen Jahr der Journalist Christopher Allbritton, als er sich seine unabhängige Kriegsberichterstattung auf seinem Weblog “Back to Iraq” erfolgreich durch Spenden finanzieren liess. Der Star unter den “Bettel-Bloggern” ist – neben Howard Dean – aber ganz klar Andrew Sullivan. Nahezu 80 000 Dollar brachte der Journalist gemäss Medienberichten im Jahr 2002 mit einem Spendenaufruf fĂĽr seinen vor allem eine konservative Klientel bedienenden und mit monatlich mehr als einer Million Besuchern ĂĽberaus populären Blog “andrewsullivan.com” zusammen. Der Mehrzahl der Blogger ermöglichen Spendengelder aber wohl höchstens den monatlichen Verzehr einer Bratwurst. Ă„hnliches dĂĽrfte fĂĽr das auf den Online-Journalen ebenfalls recht häufig anzutreffende Amazon-Partnerprogramm gelten, das den Vermittler einer Transaktion – etwa ĂĽber einen Link von einer Buchrezension aus – mit einer Provision von maximal 7,5 Prozent des Kaufpreises entschädigt. Man kann sich leicht ausrechnen, wie viele Verkäufe erforderlich sind, um auf einen nennenswerten Betrag zu kommen. Nach Auskunft von J. D. Lasica, Spezialist fĂĽr Online-Journalismus und neue Medien, hat sich das Kommissionsmodell zumindest fĂĽr seinen Weblog “New Media Musings”, der es immerhin auf 2000 bis 3000 Leser pro Tag bringt, nicht gerechnet.
Relativ ansehnliche Werbeeinnahmen
Als lukrativer erweist sich fĂĽr Lasica die herkömmliche Online-Werbung, die dem freien Journalisten nach eigenen Angaben immerhin mehr als 500 Dollar pro Monat einbringt. Die Akquisition der Werbebanner und -buttons ĂĽberlässt Lasica dabei dem vor zwei Jahren gegrĂĽndeten Anzeigenvermittler BlogAds, der die Werbeflächen von zurzeit rund 500 ĂĽberwiegend in den USA beheimateten Weblogs vermarktet. Und das auf einer 20-prozentigen Kommission basierende Geschäftsmodell von BlogAds scheint sich zu bewähren. Nach Auskunft von Henry Copeland, CEO des Unternehmens, hat die Firma im zweiten Quartal des laufenden Jahres die Gewinnschwelle erreicht. FĂĽr den Monat Juli könne man gar einen gegenĂĽber Januar 2004 verzehnfachten Umsatz ausweisen. Der Blogging-Boom schlägt sich mittlerweile auch in den Anzeigenpreisen nieder. Während vor Jahresfrist etwa auf dem liberalen Weblog “Eschaton” der teuerste Werbeplatz noch fĂĽr eine JahresgebĂĽhr von 900 Dollar zu haben war, entspricht dieser Preis gemässCopeland derzeit einer Monatsbelegung. Der konservative Blogger Greg Reynolds heischt fĂĽr den “Premium slot” auf seinem E-Blog “Instapundit.com” monatlich gar 3000 Dollar – ein nettes Nebeneinkommen fĂĽr den hauptberuflichen Rechtsprofessor! Auf gut 10 000 Dollar habe sich der bisher grösste, auf einen einzelnen Blogger ausgestellte Monatscheck belaufen, erklärt Copeland. Viele Blogs machen aber nur 100 Dollar pro Monat und sind sehr zufrieden damit, so der BlogAds-CEO weiter.
Aber auch mit Fach-Blogs lassen sich erkleckliche Beträge erwirtschaften. Auf Anfrage beziffert etwa Steve Hall, Betreiber des sich mit der Marketing- und Werbebranche befassenden Blogs “AdRants”, seinen derzeitigen Blogging-Umsatz mit 4000 bis 6000 Dollar pro Monat. Und gar vom Bloggen leben kann der britische Journalist Rafat Ali, der mit seinem Weblog “PaidContent.org” im vergangenen Jahr rund 80 000 Dollar erwirtschaftete. Zum erwarteten Ergebnis fĂĽrs laufende Jahr wollte Ali gegenĂĽber der NZZ nicht mehr sagen, als dass es sich im sechsstelligen Dollarbereich bewegen dĂĽrfte. Die Beispiele zeigen, dass sich gerade Branchen- oder Fachblogs besonders gut als Werbeträger eignen, lassen sich mit ihnen doch eng definierte, an spezifischen Themen oder Wirtschaftszweigen interessierte Publika erreichen. Keine noch so exotische Zielgruppe, fĂĽr die sich nicht ein Weblog finden liesse. Mit inhaltsbezogenen Textanzeigen versucht dies auch das AdSense- Programm von Google auszunĂĽtzen, das inzwischen auf vielen Weblogs anzutreffen ist. Wie viel sich mit den Klick-abhängigen Kommissionen verdienen lässt, ist indes nur schwer zu eruieren, untersagt es Google doch den AdSense-Teilnehmern, Zahlen bekannt zu geben.
Nano-Verleger
Mit Nick Denton und Jason Calacanis basteln inzwischen auch zwei Protagonisten aus den Boomzeiten des Internets an Weblog-Geschäftsmodellen herum. Denton, MitbegrĂĽnder des News-Aggregators Moreover.com und der einstigen Internet-Ideenbörse First Tuesday, betreibt unter dem Dach seiner Firma Gawker Media fĂĽnf Weblogs, die sich die neuesten Gadgets, Szeneklatsch aus New York, Washington DC und Los Angeles sowie die Welt der Pornografie zum Thema machen. Mit den Angeboten peilt Denton nicht zuletzt die von der Werbeindustrie anvisierte Gruppe der 18- bis 34-Jährigen an, die ĂĽber die herkömmlichen Medien immer schwerer zu erreichen sind. FĂĽr die Betreuung der Online- Journale beschäftigt Denton meist junge, talentierte Blogger, die er gemäss Medienberichten mit einem monatlichen Fixum von 1500 bis 2000 Dollar entschädigt – nicht gerade viel, wenn man bedenkt, dass es etwa der Gadget-Weblog “Gizmodo” inzwischen auf mehr als 50 000 Besucher pro Tag bringt. Mit dem lakonischen Hinweis auf sein Recht auf Ferien lehnte Denton eine Stellungnahme zu diesen Zahlen ab. Wie Nick Denton versucht auch Jason Calacanis, einst Herausgeber der inzwischen eingegangenen New-Economy-Zeitschrift “Silicon Alley Reporter”, mit Weblogs Geld zu verdienen. Mit seiner Firma Weblogs Inc. unterhält Calacanis ein Netzwerk von unabhängigen Online-Journalen, das fĂĽr die beteiligten Blogger die technische Infrastruktur betreut und die klassischen Verlagsaufgaben (Marketing und Anzeigenverkauf) ĂĽbernimmt. Anders als Gawker Media beteiligt Weblogs Inc. die Autoren jedoch mit 50 Prozent am Erfolg ihrer jeweiligen Weblogs. Rund 50 Blogs sind derzeit Teil des Netzwerks – eine Zahl, die sich nach Auskunft von Calacanis bis Ende Jahr auf 100 erhöhen soll. Der Kleinverleger ist ĂĽberzeugt, dass sich der Umsatz seines Unternehmens dannzumal auf 100 000 bis 200 000 Dollar pro Monat belaufen wird. Bis 10 000 Dollar Monatsumsatz wĂĽrden einige der beteiligten Weblogs nämlich bereits heute generieren. Mit einem ähnlichen Modell wie Weblogs Inc. versucht in Europe die Firma Creative Weblogging Fuss zu fassen.
Weblogs als Sprungbrett
Die “Nano-Verleger” Denton und Calacanis liefern sich ĂĽber ihre persönlichen Weblogs mitunter recht heftige Wortgefechte, insbesondere seit Weblogs Inc. im März dieses Jahres den Macher des Gadget-Blogs von Gawker Media abgeworben hat. Weblogs bieten somit offensichtlich auch indirekte finanzielle Anreize, indem sie nämlich den Autoren als Plattform zur Selbstprofilierung dienen. So ist der Student Brian Stelter vor wenigen Wochen durch den Verkauf seines Branchen-Blogs “CableNewser.com” an die Journalistenbörse “Mediabistro” zu etwas Geld und einem Job gekommen. Einer Bloggerin von Gawker Media gelang es kĂĽrzlich, als Journalistin beim “New York Magazine” unterzukommen. Dem “Blogger von Bagdad” brachten seine Aufzeichnungen gar einen Buchvertrag ein. Und der kalifornische Anwalt J. Craig Williams bestätigt die von der “New York Times? kolportierte Aussage, wonach er dank seinem Weblog “May It Please The Court” fĂĽr seine Anwaltskanzlei zusätzliche Aufträge in Höhe von mehreren hunderttausend Dollar generiert habe. Martin Hitz
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