War ich gestern noch überzeugt, heute die Grossglocknerstrasse fahren zu können, so wechselte diese Überzeugung angesicht des nächtlichen Dauerregens zu Misstrauen. Erst recht, als ich am Morgen die Bilder der Wetterkamera aus dem Gebiet sah. Die reinsten Winteraufnahmen, geschlossene Schneedecke, Nebel bis knapp über die Kamera. Ob all das Flimmern nur der schlecht eingestellte TV-Empfang war? Der Grossglockner/Hochtor befindet sich immerhin auf übr 2500 MüM, und hier in Bruck, etwa 800 Meter ü.M. zeigte das Thermometer gerade noch 6 Grad an. Ich legte die Winterkleider in meinem Feriengepäck mal zuoberst bereit.
Nach dem Morgenessen, dann nochmals ein Blick auf die Wetter-TV-Kamera, das Geplätscher des Dauerregens auf der Strasse, den Wolken- und Nebelverhangenen Himmel: irgendwie möchte ich keine Freude an der heutigen Fahrt gewinnen. Ich warf den Notebook an und überspielte die gestern noch rasch zusammengestellte Ausweichvariante auf das GPS. Der Entscheid war gefallen: Ich fahre nun doch unten durch, statt durch den Winter.
Unten durch bedeutete: weiterhin der Salzach entlang hinunter bis auf die Höhe von St. Johann im Pongau, dann über einen Hügel hinunter nach Radstadt und von dort südwärts über Untertauern und Obertauern in Richtung Krems / Innerkrems / Brücke Krems.
Der Salzach entlang fĂĽhrt die B311. Eine eigentlich gut ausgebaute Strasse, allerdings hat sie auch genĂĽgend Verkehr zu tragen. Deshalb wechsle ich so oft ich die Hinweisschilder fĂĽr Radfahrer erkennen kann, auf irgendwelche Radwander- oder Radtourenwege. Das geht manchmal recht gut, aber meist landet man dann doch wieder auf der B311.
In St. Johann im Pongau geht es erst einmal kräftig hinauf. Auf einer viel ruhigeren und kleineren Strasse fährt man lange einem Bächlein entlang und durch viel Wald in die Höhe. Etwa in der Mitte zwischen St. Johann im Pongau und Radstadt kippt dann die Strasse und es geht wieder den Hügel hinunter. Meist nur noch Weidland, einzelne Dörfür. Ab und zu benutze ich auch hier wieder den Radweg und komme durch wirklich schöne Dörfür vorbei.
Radstadt habe ich als Baustellenchaos in Erinnerung. Scheint aber auch eine schmucke Ortschaft zu sein. Manche Häuser könnten dem Baustil unserer Engadiner-Häuser abgeschaut sein.
Nach Radstadt entschliesse ich mich in einem Bushäuschen für einen kleinen Mittagsrast. Das gibt mir die Möglichkeit, mal auf den GoogleMaps meines Androiden nachzuschauen, was eigentlich noch bezüglich Höhenmeter vor mir steht. Auf den nächsten 17 Kilometern werde ich etwa 800 Höhenmeter zu überwinden haben. Geht noch, dachte ich mir, und fahre weiter. Radwege habe nur so lange benützt, bis ich irgendeinmal nach mehreren Kilometern Waldweg (mit meinen dünnen Rennradreifen auf diesem glitschigen Untergrund) auf dem Vorplatz eines Bauernhofes gelandet bin.
Gerade rechtzeitig für die erste steile Rampe komme ich auf die Hauptstrasse zurück. Anschliessend geht es wieder eben weiter. Eine Weile später steht an der Strasse ein Hinweisschild für einen Kettenanlegeplatz. Ich gehe die Zahlen im Kopf nochmals durch: Es bleiben jetzt noch etwa 9 Km und eine Höhendiffürenz von gut 700 Metern. Möglicherweise hat es noch ein paar Flachstücke zwischendrin, aber ich rechne mal damit, dass ab jetzt 10% und mehr wohl häufiger vorkommen werden. Ich nehme einen kräftigen Schluck aus meinem Bidon und gehe die Sache mal eher gemütlich an. Denn 9 Kilometer können unter solchen Umständen ewig lang werden.
Das Positive ist, dass die Strasse oft entlang der Taurach führt. Man steigt wilder Schluchten hinauf, vorbei an tosenden Wasserfällen. Einzelne Stellen erinnern an unsere Schöllenen, einfach mit viel weniger Verkehr. Flache Stücke zum Verschnaufen gibt es kaum. Glücklicherweise hat der Regen nicht ganz aufgehört, aber doch so, dass ich mir erlaube, das Regenjäckchen mal auszuziehen. Ob nass vom Schweiss oder vom Regen kommt mir im Moment nicht so drauf an. Das steilste Stück, direkt nach dem Kettenanlageplatz und dort wo die Strasse bergauf Zweispurig ist, muss ich nochmals schieben. Oben wird es dann deutlich flacher. Obertauern auf der Passhöhe scheint mir ein richtiger Wintersportort zu sein. Hinweisschilder wie Sonnenterrasse, oder Bergsommer und Wandersommer können mir höchstens ein schwaches Lächeln abringen.
Tatsache ist leider einmal mehr, dass der Regen von hinten immer näher rückt. Grau steht die Wand hinter mir und schickt immer häufiger und immer dichter Regentropfen vorbei. Kurz vor der Passhöhe ziehe ich deshalb mein Regenjäckchen wieder an.
Auf der Passhöhe, wieder eine ohne Passtafel, verliere ich nicht viel Zeit. Ein kräftiger und zudem kalter Wind hat angefangen zu blasen. Ich stürze mich in die Tiefe, lasse mich vom Wind schieben, komme wieder aus der Regenzone heraus und lande hier in Mauterndorf, einen Hügel vor der Nockalmstrasse. Aufgefallen ist mir, dass am nördlichen Dorfeingang von Mauterndorf eine mächtige Burg steht.
Übrigens: als ich aus der Dusche hier im Hotel kam, prasselte auch wieder der Regen auf das Dachfenster meines Zimmers. Ich gehe mal davon aus, dass ich den nächsten Hügel zur Nockalmstrasse nicht im Trockenen geschafft hätte.