8. September 2010
von Urs
Kommentare deaktiviert fĂĽr Das Gewohnheitstier Mensch
Dass der Mensch sich nicht gerne verändert, manche es geradezu lieben, immer den gleichen Weg, den gleichen Ablauf, durchspielen zu können, dürfte ja bekannt sein. Dass ich auch zu jener Sorte gehöre, die sich von liebgewonnenen Abläufen und Zuständen kaum trennen können, habe ich am letzten Wochenende wieder einmal erfahren müssen.
Tagelang habe ich mich mit der Strecke meiner Herbstfahrt über die Pässe in der Zentralschweiz befasst. Überlegungen zu Hin- und Wegfahrt gemacht (mit oder ohne ÖV), Varianten über weitere Pässe und andersherum studiert und mit früheren Erfahrungen verglichen. Koordinaten von Geocaches abgefragt. Schlussendlich alles fein säuberlich auf dem GPS gespeichert und bereitgelegt. Glaubte ich jedenfalls.
Samstag Morgen, im Zug bei der Hinfahrt nach Andermatt, irgendwo entlang dem Vierwaldstättersee, vermisste ich plötzlich mein GPS. Vor dem geistigen Auge, sah ich es noch liegen. Zu Hause auf dem Schreibtisch, neben meiner Armbanduhr. Dort lag es auch noch am Sonntagabend, als ich nach Hause kam. Die Armbanduhr nehme ich nie mit, denn ich habe ja im GPS eine Zeitangabe :exclaim:
So startete ich zu meiner zweitägigen Rundfahrt ohne die technischen Gadgets, an die ich mich doch so gewöhnt hatte.
Das alles wäre nicht so schlimm gewesen. Für die Strecke über die Pässe brauche ich keine Navigation. Einfach das Tal nach hinten hinauf, bis es auf der anderen Seite wieder hinunter geht und dann das nächste Tal wieder hinauf, so einfach ist das in der Schweiz. Dass ich keine Geocaches finden würde, das konnte ich auch noch verschmerzen, denn meist bleibt sowieso nicht genügend Zeit für eine lange Sucherei. Was ich wirklich vermisste, war die Angabe der aktuellen Meter über Meer, die Restdistanz die noch zu fahren ist und die aktuelle Uhrzeit.
Am letzten Wochenende hat sich nämlich einmal mehr bestätigt, dass das GPS für mich so eine Art Motivator ist. Am Anfang eines Passes, da rechne ich mir eine realistische Zeitspanne für die Bergfahrt aus. Abhängig schwergewichtig von den zu überwindenden Höhenmetern und mit weniger Einfluss von den zu fahrenden Kilometern. Während der Fahrt, rechnet dann der Kopf dauernd an diesen Zahlen herum, macht Vergleiche, sendet Glückshormone aus, wenn über längere Zeit die Vorgabe unterboten wird, versucht aber auch die Beine zu motivieren, falls die Vorgabe nicht mehr erreicht ist. In der Regel funktioniert das ziemlich gut.
Wenn nun dieser Motivator ausfällt, studiert der Kopf dennoch. Doch worĂĽber? Am Anfang sind es vielleicht technische Sachen. Der Pneu fĂĽhlt sich weicher an als sonst. Schleift nicht die Bremse an der Felge? Die Kette knarrt lauter als sonst, aus den Speichen kommen ungewohnte Geräusche, usw. Mit der Zeit drängeln sich körperliche Probleme in den Vordergrund. Die Handgelenke schmerzen: doch warum ausgerechnete heute mehr als sonst? Die Schultern fĂĽhlen sich vom Rucksack ungleich belastet an. Das Gesäss rutscht heute viel mehr als ĂĽblich auf dem Sattel hin und her, die Beine schmerzen auch mehr als sonst… warum mache ich das hier ĂĽberhaupt?
Jetzt ist höchste Zeit für einen kleinen Zwischenhalt und Plünderung des Notvorrates. Doch so viel Notvorrat habe ich auch nicht dabei, um alle paar Spitzkehren wieder futtern zu können. Also: durchbeissen und weiterleiden, es wird schon nicht schlimmer sein, als sonst auch.
Am Abend dann im Hotel oder zu Hause, ist der Fahrbericht zwar schneller geschrieben, weil ich ja keinen Track vom GPS habe, der noch umgearbeitet werden mĂĽsste. Doch so richtig befriedigend ist so ein Posting ohne Map mit Track, und ohne meine Bildchen an den richtigen Positionen eben auch nicht.